Graz

Lektion 3: Kunstharze und ihre Bedeutung

Als ein Beispiel für eine Art von Polymeren werden hier „Harze“ vorgestellt. Ziemlich sicher hast du den Begriff „Harz“ schon einmal gehört, aber weißt du auch, was der Begriff genau bedeutet? Leider kann diese Frage an der Stelle gar nicht so eindeutig beantwortet werden, da es ein sehr weiter Begriff ist. Ursprünglich verstand man darunter Pflanzenprodukte, die folgende Eigenschaften vorweisen: Sie sind nicht wasserlöslich und sie härten an der Luft aus. Meistens werden sie von verholzten Pflanzen gebildet, um sich vor Schädlingen zu schützen oder um Verletzungen zu heilen. Stell dir das so vor wie beim Menschen: Nach einer Verletzung bluten wir, bis das Blut gerinnt und dadurch die Wunde wieder verschließt. Der Baum funktioniert genau gleich: Das Harz kommt an die Luft, härtet dabei aus und verschließt somit die Wunde.1 Vielleicht hast du es schon mal selbst erlebt: Du streichst über einen Baum oder ein unbehandeltes Holzbrett – auf einmal hast du die klebrige Substanz an deinen Händen, die du auch nicht so leicht abwaschen kannst – eben, weil sie nicht wasserlöslich ist.

Naturharz tritt aus Rinde aus
Man sieht die gehärteten Tropfen des Harzes.

Die Menschen sahen schon früh das Potential von Harzen, die wegen deren Eigenschaften vielseitig verwendet werden konnten. Jedoch sind Harze nicht unbegrenzt vorhanden, ihre Beschaffung und Aufarbeitung ist aufwendig und es gibt eben nur jene Harze, die man in der Natur findet. Will man aber ein Harz mit sehr speziellen Eigenschaften haben, so verlässt man sich nicht darauf, dass man es in der Natur findet, sondern synthetisiert es selbst. Um Harze also gezielter einsetzen zu können, entwickelten Wissenschaftler Kunstharze, die den natürlichen Harzen in ihrem Aufbau ähnelten. Waren die natürlichen Harze schon eine große Gruppe, so sind die Kunstharze noch unüberschaubarer. Die unzählbaren verschiedenen Kunstharze können entweder Feststoffe an der Grenze zum flüssigen Aggregatzustand oder Flüssigkeiten mit einer außerordentlich hohen Viskosität (falls du diesen Begriff noch nicht gehört hast, kannst du ihn leicht nachgoogeln) sein.2 Aufgrund der vielen Möglichkeiten, „Harze“ zu definieren, kann es gut sein, dass du in Büchern oder im Internet andere Erklärungen findest als die, die jetzt folgt.

An dieser Stelle folgt ein Einschub zum Thema Kunststoffe. Eine Möglichkeit, Kunststoffe einzuteilen, ist die folgende:

  1. Thermoplaste: Die Polymerketten in diesen Kunststoffen sind nicht vernetzt. Werden sie ausreichend erhitzt, so sind sie formbar, nach Abkühlung werden sie wieder fest und behalten ihre Form bei.
  2. Elastomere: In dieser Art von Kunststoffen sind die Polymerketten wenig vernetzt. Sie haben gummiartige Eigenschaften, lassen sich also leicht verformen, nehmen danach ihre ursprüngliche Form aber wieder an.
  3. Duroplaste: In solchen Kunststoffen sind die Polymerketten sehr stark vernetzt. Diese Kunststoffe sind auch jene, die für das Thema „Harze“ relevant sind, also sehen wir sie uns in Folge genauer an.3

Im Allgemeinen kann man sich Harze als Vorläufer zu den gewünschten Duroplasten vorstellen. Sie sind sogenannte Präpolymere. Es läuft also folgendermaßen ab: Monomere werden mittels einer Polyreaktion zu gewissen Harzen, die noch unvernetzt und formbar sind und somit noch nicht die gewünschten Materialeigenschaften haben. Erst durch zusätzliche Vernetzungen setzt die Härtung ein und es entsteht der gewünschte Duroplast, der nun die geforderten Materialeigenschaften besitzt. Die Härtung ist somit nichts anderes als eine Reaktion mit einem Härter zu einem sogenannten Harzformstoff. Manchmal wird zusätzlich auch Wärme oder Druck benötigt, manchmal braucht das Harz nicht mal einen Reaktionspartner. In letzterem Fall spricht man von selbsthärtenden Harzen. Alle drei Arten von Polyreaktionen, die wir besprochen haben, kommen für diese Reaktion in Frage, es kann auch vorkommen, dass bei der Herstellung des Harzes eine andere Reaktion vorliegt als bei der Härtung. Oftmals passiert diese Härtung erst direkt vor der Anwendung.4 Ein sehr bekanntes Beispiel sind die sogenannten Zweikomponentenkleber. Dabei sind Harz und Härter und getrennten Behältern vorhanden und kommen erst miteinander in Kontakt, wenn der Kleber gebraucht wird. Vermischen sich die Flüssigkeiten, so reagieren Harz und Härter meist innerhalb weniger Minuten und der Klebstoff wird fest. 5

Eines der bekanntesten Harze sind die Phenolharze. Interessant besonders aus historischen Gründen: 1905 wurde mit Bakelit der erste vollständig synthetische Kunststoff patentiert. Man sieht also: In nur 116 Jahren wurden synthetische Kunststoffe von einer absoluten Neuheit zu nicht mehr wegzudenkenden Materialien. Die aus diesem Harz entstehenden Duroplaste verwenden wir unter anderem als Lenkräder, Motorenteile, Bügeleisen usw…

Weitere häufig verwendete Harze sind Harnstoff-Harze (ausgehärtet z.B.: als Steckdosen und Lichtschalter) oder Melamin-Harze. Die bisher genannten Harze sind allesamt Kondensationsharze, was bedeutet, dass bei der Härtung ein niedermolekularer Stoff frei wird (somit ist die Härtung eine Kondensationsreaktion, daher der Name).

Geschieht dies nicht, so redet man von Reaktionsharzen. Ein Beispiel dafür wären die Epoxidharze (z.B.: Bauteile für Flug- und Raumfahrzeuge). 6

Alle genannten Klassen werden häufig für Schichtpressstoffe verwendet. Bei einem solchen Werkstoff werden mehrere Schichten von einem oder mehreren Materialien in einem Harz getränkt und unter Einfluss von Hitze und Druck gehärtet und gepresst.7 Ein bekanntes Beispiel, wo diese Technik angewendet wird, ist bei der Erzeugung von Skiern, wo häufig Epoxidharze verwendet werden, um die verschiedenen Schichten (Holzkern, Belag usw…) zusammenzupressen. 8

Eine weitere Art der Anwendung ist das Coating. Dabei liegen die Harze als Lösung vor und werden zum Imprägnieren oder für Beschichtungen verwendet. Die Grazer Firma Allnex ist dabei einer der Marktführer weltweit. Spezialisiert hat man sich insbesondere auf Harze in wässriger Lösung, um den Verbrauch von organischen Lösungsmitteln aus Umwelt- und Sicherheitsgründen zu reduzieren. Die Produktpalette reicht von Autolacken über Straßenmarkierungsfarben bis hin zu Beschichtungen von Möbeln und Holzoberflächen. 9

Nun weißt du, was chemisch dahinter steckt, wenn man von einem „Kunstharz“ redet. Um zu überprüfen, ob du den Text auch verstanden hast, kannst du folgende Aufgaben erledigen.

Somit hast du Lektion 3 geschafft, in der nächsten Lektion beschäftigen wir uns damit, wie man Polymere analysieren kann.